Neodymium ist eine seltene Erde, die seit den 1980er-Jahren in Magneten verwendet wird. Solche Neodym-Magnete sind 5-10x stärker als normale Magnete. Verwendung finden sie zum Beispiel auch in Spielzeug, als Piercing-Ersatz oder in Elektrogeräten.
Toxizität
Durch die deutlich erhöhten Kräfte können sich selbst kleine Neodym-Magnet problemlos durch Haut oder Schleimhaut hinweg anziehen. So ist beim Verschlucken ein Haften der Magnete aneinander möglich, auch wenn sich diese in verschiedenen Darmabschnitten befinden. Hierdurch besteht zum einen die Gefahr, dass eine Nekrose und Perforation der Darmwand entsteht, zum anderen können sich aber Obstruktionen (z.B. paralytischer Ileus) bilden. Besonders groß scheint die Gefahr zu sein, wenn die Magnete nicht einzeitig, sondern mit zeitlichem Abstand geschluckt werden.
Dass diese Gefahr durchaus real ist, zeigen Daten aus den USA. In einer Beobachtung von 20 Ingestionen solcher Magneten bei Kindern von 10 Monaten bis 11 Jahre benötigte jedes vierte Kind eine Intensivbehandlung, jedes fünfte Kind hatte eine Peritonitis mit Abwehrspannung oder Ileus, 75% der Kinder hatten Darmperforationen und eines verstarb sogar [1].
Ulzerationen können auch auftreten, wenn die Magnete < 8 Stunden endoskopisch geborgen werden [2].
Zerstörte Neodym-Magnete zerfallen in kleine Brocken und sind leicht entzündlich.
Auch das Verschlucken mehrerer normaler Magnete kann Darmperforation verursachen [3].
Symptome
Die Symptome sind unspezifisch und können bei unbeobachteter Ingestion zunächst auch nur an eine Gastroenteritis denken lassen. Initial liegen meist keine Beschwerden vor, im Verlauf kommt es dann zu diffusen gastrointestinalen Beschwerden, die zum Teil nur milde verlaufen und nicht zur Bedrohlichkeit der Störung passen. Ein akutes Abdomen oder eine Ileus-Symptomatik sind möglich.
Zuerst: Würgen, Speicheln möglich
Dann oft symptomfreies Intervall
Im Verlauf: diffuse gastrointestinale Beschwerden, Erbrechen, Übelkeit, ggf. nur milde und ähnlich einer Gastroenteritis, ggf. Ileus-Symptomatik / akutes Abdomen
Management nach [2] und [4]
Besteht der Verdacht, dass ein Magnet geschluckt worden sein könnte, ist eine a.p.-Röntgen-Bildgebung des gesamten Verdauungstraktes sinnvoll. Zeigen sich hier röntgendichte Fremdmaterialien, sollte ein laterales Röntgen zur Bestimmung der Anzahl erfolgen.
Wurde nach dem Röntgen sicher nur ein Magnet geschluckt und keine weiteren magnetischen (d.h. auch metallischen) Gegenstände verschluckt, kann man die endoskopische Bergung erwägen (z.B. großer Fremdkörper, Gefahr weiterer Ingestionen von Magneten/metallischen Gegenständen). Sollte man sich gegen diese entscheiden, macht eine Stuhlkontrolle Sinn und zusätzlich sollten die Eltern darüber aufgeklärt werden alle magnetischen Gegenstände aus der Kinderumgebung zu entfernen und auf Kleidung mit metallischen Knöpfen zu verzichten (auch Gürtel mit metallischer Schlaufe) bis der Magnet ausgeschieden wurde.
Wurde möglicherweise mehr als ein Magnet oder ein Magnet und ein metallischer Gegenstand geschluckt und befinden sich diese noch in Ösophagus und Magen scheint eine endoskopische Bergung sinnvoll zu sein. Sollte die Ingestion schon mehr als 12 Stunden zurückliegen, bietet sich eine vorherige Rücksprache mit einem Kinderchirurgen an, da hier das Risiko für Nekrosen und Perforationen bereits deutlich erhöht ist.
Liegen die Magnete bereits aboral des Magens und das Kind ist symptomatisch, liegt aufgrund der hohen Perforationsrate ein chirurgisches Vorgehen nahe. Ist das Kind asymptomatisch und es gibt keine Zeichen für Perforation oder Obstruktion im Röntgen, bieten sich mehrere Optionen an. Zum einen kann eine endoskopische Bergung (hier empfehlen die Deutschen Leitlinien explizit auch alle Mittel auszunutzen wie z.B. eine Push-Jejunoskopie). Zum anderen kann auch eine stationäre Überwachung, ggf. mit Kontroll-Röntgen alle 4-6 Stunden zum Verfolgen des Passagefortschrittes, erfolgen. Hier müssten dann ebenfalls alle metallischen Gegenstände aus der Nähe des Kindes entfernt werden und bei fehlendem Progress oder (CAVE ggf. nur milder) Symptomatik die endoskopische oder chirurgische Bergung erwogen werden.
Das Vorgehen stichpunktartig zusammengefasst findet ihr auch als Pocket Card zum Download hier.
Quellen
[1] Centers for Disease Control und Prevention. Gastroinestinal injuries from magnet ingestion in children – United States, 2003-2006. MMWR Morb Mortal Wkly Rep 2006;55:1296-300
[2] Hussain et al., Management of Ingested Magnets in Children, Journal of Pediatric gastroenterology and nutrition 2012 Sep;55(3):239-42
[3] Honzumi et al. An intestinal fistula in a 3-year-old child cause by ingestion of magnets: report of a case. Surg Today 1995;25:552-3
[4] S2k Leitlinie Interdisziplinäre Versorgung von Kindern nach Fremdkörperaspiration und Fremdkörperingestion